Sachverhalt: Immobilienverkauf nach sechs Jahren
Die Klägerin, eine GmbH, hatte im Jahr 2007 insgesamt 15 Grundstücke erworben und diese im Anlagevermögen gehalten. Die Gesellschaft war ausschließlich auf die Verwaltung eigenen Grundbesitzes ausgerichtet. Erst im Jahr 2013, also sechs Jahre nach dem Erwerb, veräußerte sie erstmals 13 dieser Objekte – mit insgesamt 133 Wohneinheiten und 12 Gewerbeeinheiten, von denen 94 % vermietet waren. Zwei weitere Objekte blieben bis 2015 im Bestand.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass mit der Veräußerung von mehr als drei Objekten ein gewerblicher Grundstückshandel vorliege, wodurch die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen sei. Das Finanzgericht Münster gab der Klägerin jedoch Recht. Das Finanzamt legte Revision ein.
Rechtlicher Hintergrund: Die Drei-Objekt-Grenze
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung indiziert der Verkauf von mindestens vier Objekten innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb – und damit einen gewerblichen Grundstückshandel. Dies schließt die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen aus, da dann keine reine Vermögensverwaltung mehr vorliegt.
Allerdings handelt es sich bei der Fünf-Jahres-Grenze nicht um eine starre Frist. Werden die Objekte erst nach Ablauf von fünf Jahren veräußert, müssen zusätzliche Beweisanzeichen für eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht vorliegen. Die Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze erschüttert den Anscheinsbeweis der Veräußerungsabsicht, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob dennoch ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist.
Entscheidung des BFH: Kein gewerblicher Grundstückshandel im Einzelfall
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts und stellte klar:
„Erfolgen innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Grundstückserwerb weder Grundstücksveräußerungen noch diese vorbereitende Maßnahmen, kann bei Veräußerung einer zweistelligen Anzahl von Objekten im sechsten Jahr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ein gewerblicher Grundstückshandel zu verneinen sein.“
Im konkreten Fall hatte die GmbH in den ersten fünf Jahren keine einzige Immobilie verkauft oder vorbereitende Maßnahmen für einen Verkauf ergriffen. Erst im sechsten Jahr erfolgte die erstmalige Veräußerung. Die Gesamtwürdigung ergab, dass keine Anhaltspunkte für eine von Beginn an bestehende Veräußerungsabsicht vorlagen. Die GmbH hatte die Objekte im Anlagevermögen gehalten und die laufenden Mieteinnahmen erzielt. Auch die Finanzierung und die Unternehmensstruktur sprachen für eine langfristige Vermögensverwaltung.
Praxishinweis: Bedeutung für die erweiterte Kürzung
Das Urteil betont, dass die Drei-Objekt-Grenze und der Fünf-Jahres-Zeitraum keine starren Grenzen sind. Entscheidend ist die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls:
- Werden innerhalb von fünf Jahren keine Objekte verkauft oder vorbereitende Maßnahmen getroffen, spricht dies gegen einen gewerblichen Grundstückshandel – selbst wenn später eine größere Anzahl von Objekten veräußert wird.
- Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bleibt in solchen Fällen erhalten, sofern die Vermögensverwaltung im Vordergrund steht und keine Veräußerungsabsicht beim Erwerb nachweisbar ist.
Fazit
Das BFH-Urteil schafft Klarheit für Immobilienunternehmen: Die erstmalige Veräußerung mehrerer Objekte nach Ablauf von fünf Jahren seit Erwerb begründet nicht automatisch einen gewerblichen Grundstückshandel. Die erweiterte Kürzung kann weiterhin beansprucht werden, sofern die Gesamtumstände gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprechen. Für die Praxis bedeutet das: Eine sorgfältige Dokumentation und Begründung der langfristigen Vermögensverwaltung bleibt essenziell, um die Vorteile der erweiterten Kürzung zu sichern.